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Buch: Liebe bis in den Tod

Roman, Arche Hamburg/Zürich, Herbst 2008

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Über das Buch

»Ich holte tief Luft. Es ist die schwerste Tat, die es in unserem Leben gibt, beim Sterben zu helfen, sagte ich. Wir hatten nichts mehr zu verlieren. Die einzige Freiheit, die meine Frau noch hatte, war, gegen ihr Schicksal aufzubegehren. Der Richter nahm sich die Zeit nachzudenken.«

Ist es Liebe bis in den Tod, wenn man einem geliebten Menschen beim Sterben hilft? Das wenigstens behauptet der 80jährige Rentner Emanuel Forster, der an einem strahlenden Herbsttag seine schwerkranke Frau erschossen und den in letzter Minute der Mut verlassen hat, ihr auf gleiche Weise in den Tod zu folgen.

Nun steht er vor Gericht: Angeklagt wegen Totschlags. Oder war es Tötung auf Verlangen? Handelte der alte Mann nicht eher aus Mitleid? Oder gar Selbstmitleid? Das sind die Fragen, die Richter Anselm Joos in seinem letzten Fall vor der Pensionierung beschäftigen. Und während der Angeklagte die Anfänge seiner 60jährigen Ehe im Nachkriegsdeutschland schildert, das Familienleben mit zwei Kindern, und von den unerträglichen Schmerzen seiner Frau berichtet, ihrem jahrzehntelangen Martyrium, wird in Joos eine verdrängte Erinnerung wach.

Inzwischen gewinnt in unserer älter werdenden Gesellschaft das Thema Freitod und Sterbehilfe immer mehr an Bedeutung. Barbara Bronnen hat darüber einen Roman geschrieben, der nachdenklich stimmt.

ca. 224 S. Geb.
ca. s 18,−/sFr. 32.90
ISBN 978-3-7160-2380-8

Internetseite beim Arche Verlag

Pressestimmen

"Unter den Romanen Bronnens ist dieser der gewichtigste", so Walter Hinck in der FAZ. Die Dialoge, Gefechte immer neuer Argumente und Gegenargumente zur Sterbehilfe, halten den Leser nach Meinung des Rezensenten in Spannung. Hinck zitiert Dieter Wellershoff, der Literatur als "ein Medium zur Erweiterung und Vertiefung unserer Wahrnehmung des Lebens" versteht und lobt: "Vor solcher Erwartung besteht dieser Roman."
Frankfurter Allgemeine Zeitung 22. Oktober 2008

Barbara Bronnen hat einen Roman »zur Auseinandersetzung mit der heftig umstrittenen Kriminalisierung von Tötungen auf Verlangen geschrieben«.
Eva-Elisabeth Fischer, Süddeutsche Zeitung

»Es ist nicht das erste Buch, in dem Barbara Bronnen sich mit dem Alter beschäftigt, aber es ist sicher ihr eindringlichstes und berührendstes, natürlich auch, weil es auf der immer wieder auflebenden, brisanten Diskussion um Freitod und Sterbehilfe basiert. Dies hier nun sehr empfindsam und perspektivreich literarisch aufgearbeitet.«
Barbara Wegmann, Neue Osnabrücker Zeitung

»Auf die Lesenden wartet ein glasklarer Text, der von einer überlegten Ökonomie zeugt. Kein überflüssiger Satz stiehlt sich hinein.«
Beatrice Eichmann-Leutenegger, Der Bund

Leseprobe

Wie ihr Tod langsam in meinen Körper dringt. Mitten in der Nacht wache ich auf, mit tauben Beinen, manchmal kann ich sie nicht mehr bewegen. Meine Fingerspitzen sind gefühllos – meine Glieder kündigen den Dienst auf. Ich höre und sehe schlechter. Es ist, als wäre ich in Laken eingeschlagen, als steckte ich in einem Kokon. Diese Stille, die nichts mit Ruhe zu tun hat. Dieses Schweigen der Tage. Mein Körper weiß, daß etwas nicht stimmt. Ich bin hinterblieben. Wie konnte ich mich hier allein zurücklassen.
Wie sie mir fehlt.
Käthes Spitzenhemd, das sie nachts trug, habe ich über den Stuhl gelegt. Und für einen kurzen Augenblick ist alles wieder da. Dann falte ich es zusammen und lege es aufs Bett.
Die Schwerarbeit des Weiterlebens hat begonnen.
Mit sich selbst reden, damit fängt es an. Eben habe ich mich wieder dabei ertappt, wie ich die Lippen bewege. Ich unterhalte mich mit ihr. Wenigstens ein Mensch soll mich hören. Sie.
Ich knipse die Schreibtischlampe an. Das einzige, was ich an der Wohnung verändert habe, seit ich sie allein bewohne: Ich habe den Schreibtisch ans Fenster gerückt. Sonst ist alles geblieben, wie es war. Auf dem Schreibtisch liegt das Urteil, obenauf der Entlassungsschein.
Ordnungsgemäß entlassen. Trotzdem ist nichts in Ordnung. Gar nichts mehr ist in Ordnung.
Ich kann nichts mehr für sie tun. Nichts bewegt sich mehr für sie. Unsicher trete ich ans Fenster, seit Käthes Tod habe ich mein Gleichgewicht verloren. Ich blicke hinaus auf die spitzgiebeligen alten Häuser. Nah der Friedhof mit seinen Kränzen und Kreuzen, wo sich Käthe unter Blumen in rosa und weiß versteckt. Das Licht wird sich senken, und wieder werde ich nicht gerüstet sein für diesen Abend, den es zu bestehen gilt. Plötzlich, wie ein Überfall, diese träge Traurigkeit. Als ich zum Tisch gehe, stolpere ich über den Teppich und falle, lasse mich fallen. Damit ich mich bedaure. Das Gefühl des Alleinseins wächst.
Leide oder trauere ich?
Einige Tage nach meiner Entlassung ist Jakob mit einer kleinen Delegation samt Bürgermeister erschienen. Mir war klar, was er damit wollte. Alle schauten zu Boden, als hätten sie Angst, sich zu verraten. Sie waren verlegen. Hatten keine Ahnung, was sie sagen, wie sie sich verhalten sollten. Dazu noch etwas: ein verschämter Groll, eine Betretenheit. Es war ihnen peinlich, daß sie durch mich in eine so ungewöhnliche Situation geraten waren. Es gab ein gemeinsames Vokabular aus Pflichtfloskeln und Schweigen. Nur Jakob fand ein paar einfache Worte. Eine wortkarge Karawane, die nach ihrem solidarischen Blitzbesuch rasch wieder meine Wohnung verließ. Ich hatte mich selbst aus ihrer Gemeinschaft aus­gestoßen. Erschöpft schloß ich die Tür und blickte ihnen hinter den Gardinen nach. Alle hier kennen meinen Prozeß, sind über meine Person durch die Medien bis ins kleinste Detail informiert. Es wird wohl keine andere Möglichkeit geben, als damit zu leben.

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